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Whistleblowing Richtlinie – Alles Wichtige auf einen Blick
20. Januar 2022
12 Minuten Lesezeit
Patrick Knittel
20. Januar 2022
12 Minuten Lesezeit
Patrick Knittel
Whistleblowing Richtlinie – Alles Wichtige auf einen Blick
Definition Whistleblowing Richtlinie
Die Whistleblower-Richtlinie ist eine EU-Richtlinie, die sog. „Whistleblower“ oder „Hinweisgeber“ schützen soll. Whistleblower sind Personen, die Verstöße eines Unternehmens gegen gesetzliche oder interne Vorgaben melden. Sie benötigen besonderen Schutz, wenn sie einen solchen Vorfall melden wollen, da sie sich in diesem Moment gegen den eigenen Arbeitgeber wenden.
Um diesen Schutz zu gewährleisten, haben bereits zahlreiche Unternehmen eigene Meldestellen und Hinweisgebersysteme eingerichtet. Mit deren Hilfe sollen Whistleblower Fehlverhalten im Unternehmen frühzeitig melden und aufdecken können. Allerdings sind die Unternehmen bislang nicht gesetzlich dazu verpflichtet gewesen, solche Stellen im Betrieb zu integrieren.
Durch die neue EU-Whistleblower-Richtlinie ändert sich das jedoch: Das Einführen eines Systems mit entsprechenden Meldekanälen zum Schutz von Hinweisgebern wird EU-weit künftig Pflicht für Betriebe – auch in Deutschland. Damit können Mitarbeiter mögliche Missstände anzeigen, ohne negative arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.
Inhalt der Richtlinie
Die Richtlinie ist bereits im Dezember 2019 auf EU-Ebene in Kraft getreten (RL (EU) 2019/1937). Nun hatten die Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 17.12.2021. Bisher haben nur drei EU-Mitgliedsstaaten diese Richtlinie in einer nationalen Regelung umgesetzt. In dieser Zeit hätte auch Deutschland die Regelungen der Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen. Für Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten gilt eine Übergangsfrist bis zum 17.12.2023.
Wie die deutsche Regierung die Richtlinie umsetzen will, ist noch unklar, ein finales Gesetz wurde noch nicht erlassen. Allerdings gibt es seit Ende 2020 einen ersten Entwurf zum sog. „Hinweisgeberschutzgesetz“ vor, welches als Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in Deutschland fungieren soll. Bisher ist dieses Gesetz aber weder beschlossen noch in Kraft getreten. Daher ist zum aktuellen Zeitpunkt noch offen, wie der Gesetzgeber in Deutschland die Whistleblower-Richtlinie einführen will. Da die Richtlinie bis Dezember 2021 hätte umgesetzt werden müssen, sollten Arbeitgeber und Unternehmen bereits jetzt entsprechende Vorbereitungen treffen.
→ Hinweis: Solange kein deutsches Gesetz in Kraft getreten ist, gilt die bereits erwähnte EU-Whistleblower-Richtlinie für deutsche Unternehmen unmittelbar.
Anwendungsbereich: Für wen gilt die Richtlinie?
Der Anwendungsbereich der Whistleblower-Richtlinie umfasst sowohl die sachliche als auch die persönliche Ebene, auf der die Richtlinie gilt.
Problematik in Deutschland
Die Europäische Union hat die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, die Richtlinie bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen und dabei von den Gestaltungsspielräumen Gebrauch zu machen. Ein erster Gesetzentwurf war im Frühjahr 2021 am Widerstand der Union gescheitert, denen der Schutz von Whistleblowern offenbar zu weit ging. Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien darauf geeinigt, dass Whistleblower nicht nur bei der Aufdeckung von Unionsrechtsverstößen geschützt sein sollen, sondern auch, wenn sie dazu beitragen, Missstände aufzudecken, deren Aufklärung im besonderen öffentlichen Interesse ist. Das Hinweisgeberschutzgesetz wird wohl im ersten Quartal 2022 verabschiedet. Für juristische Personen des öffentlichen Sektors – wie etwa Behörden oder kommunale Verwaltungen – gilt die Richtlinie bereits jetzt im Wege der zwingenden Direktwirkung.
Mit Ausnahmen von großen DAX-Unternehmen, die zur Implementierung verpflichtet sind, ist das Thema nur in wenigen Unternehmen – gerade auch im Mittelstand – bekannt. Anders als in Anglo-amerikanischem Recht, sind Hinweisgeber auch nicht umfassend geschützt, weil das nationale Arbeitsrecht eher die Pflicht vorschreibt, seinem direkten Vorgesetzten jeden Missstand zu melden. Dies kann jedoch nicht im Unternehmensinteresses sein. Zum einen kann der direkte Vorgesetzte für den Missstand verantwortlich sein und damit kein Interesse an der Aufdeckung haben, (z. B. Diffamierung oder Belästigung der Mitarbeitenden). Zum anderen ist es gerade Aufgabe von Compliance es eine sogenannte Vertrauenskultur zu schaffen, in der die Mitarbeitende auch Fehler machen dürfen.
Viele Whistleblower trauen sich nicht, gegen den eigenen Arbeitgeber vorzugehen, selbst wenn er gesetzliche oder rechtliche Vorgaben missachtet. Ein Grund hierfür ist häufig die Angst vor einer Abmahnung, Gehaltskürzung oder sogar vor der Kündigung. Um diese Scheu zu beseitigen, schreibt die EU-Whistleblower-Richtlinie vor, dass der Hinweisgeber selbst, aber auch Mittler, Kollegen und Verwandte vor Nachteilen geschützt werden müssen.
Daher sind z. B. folgende rechtliche Schritte des Arbeitgebers nicht zulässig:
- Whistleblower kündigen
- Disziplinarmaßnahmen einleiten
- Beförderung verweigern
- Gehalt kürzen
- Aufgabenbereich des Hinweisgebers verringern
- negative Leistungsbeurteilung erteilen
Um den Arbeitsschutz der Hinweisgeber weiter zu stärken, definiert die Whistleblower-Richtlinie auch neue Regelungen im Datenschutz.
Bei der Verarbeitung der Daten des Hinweisgebers und der belasteten Person sind zwingend die datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO einzuhalten. So hat ein Arbeitnehmer, der von einem Whistleblower beschuldigt wird, nach Art. 14 DSGVO das Recht zu erfahren, zu welchem Zweck seine Daten verarbeitet werden und welchen Inhalt die Meldung aufweist. Hierzu zählt auch, dass der Beschuldigte unter Umständen den Namen des Hinweisgebers erfährt. Dagegen steht die Whistleblower-Richtlinie, die verbietet die Identität des Hinweisgebers preiszugeben. Die Richtlinie löst dieses Problem, indem es die nationalen Gesetzgeber dazu verpflichtet, bestimmte Datenschutzrechte für betroffene Personen einzuschränken. Wie genau die deutsche Gesetzgebung diese Regelung umsetzen wird, steht jedoch noch aus.
Neben der EU-Whistleblower-Richtlinie bietet das Geschäftsgeheimnisgesetz den Whistleblowern Datenschutz. Hierbei ist jedoch zu beachten, wenn es im Vorwurf um das Know-how des beschuldigten Unternehmens geht, dürfen die Verantwortlichen die Identität des Hinweisgebers offenlegen, sofern dies zwingend erforderlich ist, um den rechtswidrigen Tatbestand aufzudecken.
Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in Deutschland
Wie will die Bundesregierung die Vorgaben der Whistleblower-Richtlinie in Deutschland anwenden? Durch den bisher noch nicht im Gesetzgebungsverfahren abschließend beschlossenen Gesetzentwurf, ist diese Frage zunächst schwierig zu beantworten. Dennoch kann es Unternehmen und Arbeitgebern helfen, sich bereits mit den Anforderungen der Whistleblower-Richtlinie auf EU-Ebene zu beschäftigen.
Es stellt sich daher die Frage, welche Vorgaben der Whistleblower-Richtlinie werden für Arbeitgeber in Deutschland wichtig sein?
Aktuelle Lage – ohne Umsetzung – in Deutschland
Für Whistleblower in Deutschland, die das durch die Richtlinie vorgegebene Melde- und Offenlegeverfahren einhalten, ergeben sich daraus weitreichende Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik: auf Lohnersatz bei Kündigung, Schmerzensgeld bei Mobbing, Gehaltseinbußen wegen schlechter Zeugnisse, sogar auf Ersatz ärztlicher und psychiatrischer Heilbehandlungskosten.
Um diesen Ansprüchen aus dem Weg zu gehen, sollte der Bundesgesetzgeber die Whistleblower-Richtlinie schnellstmöglich umsetzen.
Die neue Regierungskoalition hat immerhin in ihrem Koalitionsvertrag die Absicht bekundet, die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel umzusetzen. Sie dürfte vermutlich sogar über das von der EU geforderte Maß hinausgehen, indem nicht nur die Meldung von Verstößen gegen Unionsrecht geschützt wird, sondern jegliches „erhebliches Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt“. Damit würde der Gesetzgeber auch der neuen Gesetzeslage Rechnung tragen – und es Whistleblowern noch ein wenig leichter machen, die Öffentlichkeit auf Missstände hinzuweisen.
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Marco Brandner, BA
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